Dienstag, 25. August 2020
La Vie En Rose
...singe ich schon den ganzen Tag. Obwohl es nichts wirklich neues von den Ämtern gibt, das Wetter blitzartig von "Ooooh, Sommer!!!" zu "Äh. Herbst??" gewechselt hat und es in Strömen regnet (aber der Wald riecht sooo toll!!) und ich hier allmählich auf der Stelle latsche.

Ich habe einfach eklig gute Laune :))

So einiges ist passiert seit dem letzten Eintrag.

Zum einen ist schon wieder jemand entlassen worden. Aber das ist jetzt vielleicht auch nicht die schlaueste Art gewesen, abends einfach nicht mehr heimzukehren, die gesamte Nacht weißderGeier wo herumzusaufen und nächsten Vormittag blau wie 1000 Russen den Berg hoch zu torkeln. "Binwiedadaaaa!"

Das war der achte (!!) Aufenthalt des Mannes hier. Man könnte traurig sein über soviel Elend. Es hält sich dann aber doch arg in Grenzen mit dem Mitleid, weil er jeden äußerst abfällig bewertete und dies auch sehr laut kundtat, dass Rückfälle nur etwas für Loser und W****** seien. Tjaaa....

Und dann ist da ja auch noch Corona. Soviel haben wir hier oben bis Anfang der Woche nicht mitbekommen. Seit 4 oder 5 Wochen dürfen wir wieder Besuch (nach den Regeln natürlich) bekommen und ansonsten lebt man ohne MSN.

Bis gestern. Ohne Maske nur noch draußen und dann auch nur mit Abstand. Und die Situation im Speisesaal sieht jetzt so aus, dass immer nur eine der drei Gruppen im Saal essen darf, die anderen 3 essen in deren Aufenthaltsräumen. Huchhach. Das hat erstaunlich gedauert, bis es bei allen verständlich ins Hirn gelangt ist. Und dann dieses Entsetzte "Was heißt das, WIR müssen unser Geschirr selber abwaschen?? WAS??" (Wir reden hier von 6 Tellern und Besteck).
Alles aus der Küche wird nach wie vor in der Spülküche durch die Maschine gejagt. Also wirklich keine Raketenwissenschaft, aber neiiiiiin, wie uuuunbequem und aaaaanstrengend...

*gna*

Ich bin aber ziemlich happy über die neue Situation, weil ich erstens in einer ganz und gar netten Gruppe bin, der einzigen gemischten (was ich immer gegenüber reinen Frauengruppen vorziehe), die anpacken kann. Wir haben uns es schon nett gemacht, alles rübergeholt, was man so als Amenities braucht: Tabasco, schwarzer Pfeffer aus der Mühle, die selbstgekochten Marmeladen von U., Senf. Die Einteilung, wer was holt, wegbringt und die Wohnküche wieder säubert hat genau 2 Minuten gedauert. Zack. Das Leben kann so einfach sein ;-)

Und zum anderen: KEIN SPÜLDIENST MEHR! Ich hatte eh geplant, nächsten Mittwoch den Dienst abzugeben. Aber so geht es auch, hehe. Die letzten fünf Wochen hier möchte ich mich noch mehr auf mich konzentrieren. Und nicht 3 mal am Tag 7 Tage die Woche den Dreck der anderen wegmachen.

Heute habe ich ein Seidentuch in grünlila mit silbernen "Helm-von-Loki"-Elementen fertig gestellt. Und den angefangenen Korb sehr deutlich beiseite gestellt.
Ergotherapeutin: "Aber möchten sie den nicht noch fer....?" "Nein!" "Aber das ist doch nur noch der Ra...." "Neihein!" "Nicht??" "NEIN!" "Oh. Okay. Dann stellen sie ihn mal an die Seite."

So gerne ich handarbeite, aber ich ahne, warum Körbe flechten einst eine Knastarbeit war *g*

Nachmittags gab es "Entspannte Bewegung" und ich habe es sehr genossen. Bei weit offenen Fenstern auf Matten liegend, schön zugedeckt und dazu Anweisungen zur Tiefenentspannung gelauscht: hat geklappt. Danach fühle ich mich immer 5 Zentimeter größer und leicht wie eine Feder.

Und dann gab es auch noch ein absolut leckeres Gulasch. Also WIRKLICH lecker. Ich sage es der Küchendame auch immer, wenn ich etwas wirklich gut fand. Man kann ja auch durchaus mal loben und danke sagen anstatt ständig zu nölen, nicht wahr?

Alles in allem war das der erste wirklich gute Tag seit einigen. Ich war frustriert, genervt, gelangweilt. Hab dann erkannt, dass es einem außerhalb der Käseglocke hier ganz genauso geht und es sich ja auch nur noch um knapp 6 Wochen handelt. Auch draußen hat man miese Tage, wo man sich selbst nicht leiden kann und alles doof ist.

Der Suchtdruck ist ganz weg, die absolute Akzeptanz nach wie vor da. Meine Bezugstherapeutin fing zwar an, doch noch eine Langzeittherapie vorzuschlagen, aber das werde ich keineswegs machen. Ich bleibe weiter in Behandlung, keine Frage. Aber nochmal 4 Monate weg? Nein. Und ich muss auch nicht bei Null anfangen. Ich kenne die Skills und vor allem weiß ich ganz genau, warum ich rückfällig geworden bin.

Ich beginne, mich ganz langsam, aber zuversichtlich, auf zu Hause zu freuen...

Um es mit Peter Fox zu sagen: "Steig auf den Berg aus Schrott, weil oben frischer Wind weht!"

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Montag, 17. August 2020
So allmählich...*schnaub*
Nun denn. Dann werde ich morgen mal mithilfe des Sozialgerichts die Agentur für Arbeit verklagen.

Die BA verweigert mir das Arbeitslosengeld, weil ich krank bin. Die Krankenkasse verweigert mir das Krankengeld, weil ich nicht arbeite.

SAGT MAL, BRENNT EUCH DER HELM ODER WAS???


Ich habe seit ich in "Lohn und Brot" stehe, Beiträge gezahlt. Also seit ich 19 bin. Ich bin jetzt 52. Und war bis auf insgesamt 5 Wochen niemals arbeitslos. Und jetzt will niemand zuständig sein? Es hackt ja wohl.

Ich höre gerade The Dead South "in Hell I'll be in Good Company" und versuche, so allmählich wieder runterzukommen. Hier war es die letzten Tage auch noch extrem angespannt von der Gesamtsituation her.

Die Menschen waren angespannt bis aggressiv, in etwa wie die irren Wespen, die selbst stechen, wenn man sich absolut gar nicht bewegt. Andauernd schallten Schmerzensschreie durch die Gegend und ich habe lauthals fluchend den Speisesaal verbotenerweise rennend verlassen. Mir doch egal, die Wespe war halt sehr verliebt oder was weiß ich.

Alles zusammen plus Hitze und Schwüle ergab eine Stimmung wie 10 Sekunden vor dem Einschlag. Der auch kam.
2 Mitpatienten werden morgen diese Einrichtung verlassen. (Zwischen den Zeilen bitte ein leises "Juchei" lesen), es kam zu einer Auseinandersetzung, die fast in eine Schlägerei ausartete. Wäre ein anderer Patient da nicht zwischen gegangen, who knows...

Egal, gehen müssen beide. Was ziemlich sicher zum alten Frieden wieder beitragen wird.

Es gibt immer so Querulanten. Ob es nun Aluhütchen bei den aktuellen Demos sind, zugekokste Möchtegern-Star"köche" oder eben Patienten in einer kleinen Gemeinschaft wie unserer hier. Man versucht, mit ihnen zu leben. Man unterhält sich sogar und versucht heraus zu finden, wieso jemand so denkt und agiert. Aber manchmal hat man einfach keine Chance, bei demjenigen auch nur ansatzweise zu verstehen was vor sich geht.

Und wenn so ein Mensch dann auch noch übelst sexuell übergriffig ist, reichlich braungequirlten Dünnschiss von sich gibt und auch ansonsten nicht wirklich die hellste Kerze auf der Torte ist, dann ist das ok wenn er geht.

Andere hier habe ich liebgewonnen. Es sind entzückende, emphatische Menschen, wir helfen uns gegenseitig mit langen Gesprächen und auch mal sehr viel Gelächter und Späßen.

Ich werde jetzt einfach für den einen Kerl, der bald geht und ein ganz und gar angenehmer, wenn auch sehr kranker Mensch ist, Regenbogensocken stricken. Wir schmeissen zusammen den Spüldienst und haben irre viel zu lachen. Zusammen mit M., der die schönsten sarkastischen, schwarzhumorigen Ideen überhaupt hat, sind wir ein Dreamteam am Spüler. Heute war es auch zum ersten Mal nicht so derbe heiß und hey! HEUTE haben die Betreuer tatsächlich denn doch mal die Lüftung angestellt. Höhö. Danke für .... ähm. Nix? ;)

Ich habe einen kleinen Lagerkoller und ein wenig Heimweh nach meiner Wohnung und der Stadt. Nein, nicht nach der Stadt, das nehme ich zurück. Ich überlege immer öfter, in die Randgebiete zu ziehen. Was hält mich denn in Hamburg? Nicht viel.

Aber ich habe noch über 7 Wochen hier, und genug Zeit, mir die weiteren Schritte zu überlegen. Erstmal sowieso eine ambulante Nachsorge finden und dann sehen wir weiter.

So, wo ist mein Strickzeug?

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Donnerstag, 13. August 2020
Huch...es ist weg!
Sommer, Wald, Ruhe, gute Leute, Schlaf und weg von dem Alltag...nach knapp 5 Wochen habe ich seit drei Tagen absolut keinen Druck mehr. Wie toll das ist!

Bis dato war es durchaus so, dass ich hier oben auf dem Bullerbüberg zwar in Sicherheit war, aber bei dem Gedanken an woanders sein auch ziemlich schnell ein Verlangen nach einer Weinschorle oder einem Alster aufkam.

Also nicht, dass ich mich abschiessen wollte, aber halt etwas trinken. Was bei mir - und ich kann nur für mich sprechen - eigentlich jedesmal der Anfang vom Ende auf der Entgiftungsstation war. Oder zumindest der gefährliche Versuch, zu Hause zu entgiften.

Irgendwann, ich denke, es war Montag, hat es Klick gemacht. Die Akzeptanz war da und sie kam einfach so. Ich war alleine in Buchholz bei einem Orthopäden und hatte über Mittag frei. Und ich hatte große Lust, einfach ein wenig für mich alleine zu sein, zu bummeln, ein büschen zu shoppen und dann lecker irgendwo Mittag essen.
Und als ich so in dem netten Restaurant saß und einen Flammkuchen und sehr leckeren Himbeer-Basilikum-Eistee schnabulierte, fiel mir tatsächlich erst hinterher auf, dass ich nicht einmal daran gedacht hatte, ob ein Alster nicht irgendwie geiler wäre. Ich kam weder auf den Gedanken an Alkohol noch auf die Vorstellung, dass ein sonniges Essen in schöner Umgebung ohne Wein nicht wirklich perfekt sei.

Hachz! Ich weiß gar nicht, wie das genau geschehen ist, aber mein kleiner Fiesling im Gehirn ist entweder bei der Hitze geschmolzen oder hat sich nach Grönland verkrümelt. Jedenfalls ist er jetzt weg. Und ich bekomme bei der Vorstellung, jetzt Alkohol zu trinken, Magenschmerzen und Übelkeit. Wie praktisch :)

Jetzt ist schon Donnerstag und die Zeit rast. Dabei sind die Tage hier nicht anstrengend oder stressig. Wir haben nur wenig Therapiestunden. Das ist hier ja auch keine richtige Therapie, sondern eine Vorsorge FÜR Therapien etc.
Aber ich kann alles wieder anwenden, was ich vor 8 Jahren gelernt hatte. Und es ist alles wieder da. Achtsamkeit. Eine gesunde Portion Egoismus. Akzeptanz.

Dazu kommt dieses irre Sommerwetter (ok, die letzten Tage war es selbst mir zu warm, ich gebe es ja zu), und die frühen Morgenstunden sind herrlich.

Die Abendstunden auch, es ist seidig warm, aber nicht mehr heiß. Wir sitzen neuerdings auf Bänken direkt am Waldesrand und beobachten Fledermäuse. Sternschnuppen habe ich aber noch keine gesehen, dabei müssten eigentlich die Perseiden herumsausen. Na, ich versuche es heute Nacht nochmal.

Meistens bin ich aber so gegen 23 Uhr echt müde und versuche, hier unter dem Dach ein wenig Abkühlung reinzukriegen. Also schlafe ich mit weit offenen Fenster, auch auf die Gefahr hin, dass Freund Flattermaus zu Besuch kommt. Und wenn schon. Fliegt auch wieder raus :)

Und ich bin so voller Energie, dass ich Samstag das Mittagessen vorbereiten werde. Matjes Hausfrauenart. Einfach aus dem Grund, dass ich Kartoffelsuppe bei 33° echt nicht lecker finde *g* Freund M. habe ich schon verhaftet, der kann die Zwiebeln schnippeln. Was die Veganer hier dann essen...keine Ahnung. Äpfel mit Kartoffeln oder so. *fg* Ist nicht mein Problem, siehe auch: gesunder Egoismus.

Ich heile. Und bin happy.

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