Donnerstag, 17. September 2020
Aus dem System gefallen...
Ich habe resigniert bezüglich Arbeitsamt und Krankenkasse. Es sieht tatsächlich so aus, als wenn ich schlicht und einfach aus dem System geplumpst bin.

Chronologische Abfolge:

Zum 30.3. hatte ich den Auflösungsvertrag mit der BA unterzeichnet. Es folgte eine 3-monatige Sperre des ALG 1, da ich "mit Unterzeichnung des Vertrages gewusst hatte, arbeitslos zu werden". Ok, kann man auch anders betrachten (es war in der Probezeit und mir wurde dieser Vertrag extra vorgeschlagen, damit ich eben KEINE Sperre bekam, aber egal).
Die Sperre war gesetzt bis 23.6.. Am 21.6. ließ ich mich ins Krankenhaus zur Entgiftung einweisen und schickte sofort am nächsten Tag eine "Liegebescheinigung" an die BA.
Daraufhin erfolgte die Abmeldung aus der Krankenkasse und der Pflegeversicherung, ich möge doch bitte Hartz 4 beantragen. Und nein ich habe - da ich nicht krankenversichert bin - auch keinen Anspruch auf Krankengeld.

Wegen.Zwei.Tagen.Bin.Ich.Aus.Dem.System.gefallen.

Hätte ich mal noch zwei Tage durchgehalten und wäre dann erst in die Entgiftung gefahren. Dann wäre nämlich alles in bester Ordnung gewesen. Ok, ich wäre vielleicht gestorben, aber ansonsten wäre es so fein gewesen.

In wochenlangen Versuchen mit Telefonaten, Briefen und Mails zusammen mit meiner Therapeutin haben wir genau nichts erreicht. Die BA stellt sich ablehnend, die Krankenkasse noch viel mehr. Ich habe mich natürlich freiwillig versichert und alle Beiträge seit dem 21.6. nachgezahlt (immerhin auch mal eben knapp 500 Flocken), aber einen Anspruch auf Krankengeld habe ich auch nicht, weil ich ja nicht arbeite.

Ehrlich, ich saß hier des öfteren wie Remy, die Ratte aus dem Film "Ratatouille" und zog an den Ohren.

Es kann doch nicht sein, dass ich jahrzehntelang brav und ordentlich meine Beiträge zu den Versicherungen gezahlt habe - ich war immer fest in Vollzeit angestellt (auch während der ersten Therapie 2012), habe alles gezahlt, hatte nie mehr als 5 Wochen Arbeitslosigkeit und das auch nur einmal - und jetzt wegen dieser verdammten 2 Tage überhaupt gar nichts bekomme?

Und zudem doppelte Miete habe (hier und zuhause, ca. der gleiche Betrag).

Und zuhause auch alle anderen Kosten weiterlaufen.

Mein ganz ganz großes Glück ist die Abfindung aus dem letzen Jahr. Sonst wäre ich jetzt wirklich auf ALG2 gerutscht. Ok, dann müsste ich zwar kaum etwas zahlen, hätte aber auch nur knapp 170,-€ monatlich zum Leben.

So komme ich zwar finanziell gut zurecht, aber Leute, mal ganz ehrlich: so ganz richtig finde ich das alles nicht.

Eine Klage hätte übrigens keine Chance:

Letzte Woche rief mich nach vielen Monaten mal meine Sachbearbeiterin der BA an. Die Dame ist äußerst nett und sehr hilfsbereit. Sie fragte etwas verwirrt, wo ich denn eigentlich stecken würde, weil sie seit Juli überhaupt keine Einträge mehr hätte von mir.

Ich erwähnte recht fassungslos, dass ich nahezu wöchentlich im Servicecenter angerufen hätte. Und Leudde: ich habe da auch gearbeitet. Ich WEISS, dass man jeden Anruf zu notieren hat. Ausnahmslos. Damit andere Kollegen eben nachlesen können, wie die Sachlage ist.
Das wurde bei mir monatelang nicht gemacht.

Die herunterfallende Kinnlade von Frau H. habe ich übrigens bis hier oben gehört. Sie wurde dann recht gnatzig, ließ die eine oder andere nicht ganz jugendfreie Bemerkung über "7&/($%"=%"-Servicecenter&/($murmel&($"/=Schei***" fallen und hörte sich also meine ganze Geschichte an.

Und sagte dann bedauernd, dass ich wirklich keine Chance habe auf ALG1 oder Krankengeld.

Eine Situation wie die meinige ist einfach nicht im System. Da geht es strikt nach Fristen und dann hat man eben Pech gehabt.

Ab dem 1. Oktober bin ich gesund geschrieben. Ich werde es dem Arbeitsamt telefonisch UND digital mitteilen, am besten latsche ich auch noch hin und gebe die Gesundschreibung persönlich und mit einem Knicks ab.
Und DANN bekomme ich auch ALG1. Toll, nä?

Und wehe , ihr kommt mir dann mit einem Jobangebot wie das letzte: "Callcenter, Outbound, 9,-€ brutto/Stunde" :-(

Achja: die Krankenkasse werde ich wechseln. Jemand einen guten Tip? Wäre fein, wenn die mindestens eine professionelle Zahnreinigung pro Jahr zahlen würden *g*

Davon mal abgesehen: ich ziehe das hier bis zum letzten Tag durch. Das Therapeutenteam hat mir angeboten, schon gehen zu können, damit ich finanziell besser dastehe. Das finde ich zwar sehr nett, aber unnötig. Ich breche nicht ab und genieße die letzten zwei Wochen hier.

Und von dem recht kläglichen Rest meiner ehemals netten Abfindung kaufe ich mir halt ne neue Waschmaschine anstatt ner ganzen Küche. So.

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Hmm... Ist das wirklich so? Ist? Das? Wirklich? So?

Das klingt alles nicht schlüssig, überhaupt nicht. Es gibt oft Probleme beim Arbeitsamt, allerdings wegen zu später und nicht wegen zu früher Meldung (ich meine die beiden Tage, um die sich hier alles dreht), und auch andere Details (siehe unten) sind extrem fischig.

Es gibt Anwälte, die sich auf Sozialrecht spezialisiert haben (hier in Hamburg haben wir ein paar davon) - willst Du nicht einen davon fragen? (Geh nicht zum Sozialverband, die haben kaum gute Anwälte, leider, zumindest nicht in den normalen Beratungsstellen.) Es ist eine 190 Euro-Wette, soviel kostet eine Erstberatung.

Würde ich an Deiner Stelle machen, Du bist bisher nämlich nur von "Partei" (nämlich der juristischen Gegenseite) und von Laien (nichts gegen die Therapeutin, die hat sicher schon viel gesehen) beraten worden, und das ist alles nicht die Kompetenz, die es in solchen Dingen braucht.

Wegen der Einträge beim Arbeitsamt:: Ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere Eintrag mal nicht gemacht wird - bei _allen_ Einträgen über Monate hinweg glaube ich das _nicht_, überhaupt nicht, dafür ist da zuviel Druck im System (ich kenne den Mist auch aus Schilderungen anderer Mitarbeiter der Behörde).

Da stehen aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten im Raum:
1. Die Einträge sind bei einer anderen Kundennummer gelandet - glaube ich nicht, das gibt es in der Häufung nicht.
2. Die "nette" Sachbearbeiterin ist eine gute Schauspielerin und hat einen potentiellen Reklamationsfall mit hohem Erstattungsanspruch charmant demotiviert...

Ja, klingt wild, ich weiß - ist für mich allerdings die logische Konsequenz aus allem, was Du erzählst, und auch aus dem, was auch Du über das Arbeitsamt weißt: Da werden Menschen mit allen Konsequenzen aus dem Bezug und aus der Statistik gedrückt, rabiat und oft nicht legal (wie die hohe Quote an erfolgreichen Widersprüchen gegen Bescheide jeder Art zeigt).

Und dass das eine Serie von Einträgen komplett nicht gemacht worden sein soll, über Monate hinweg: Nein, schlichtweg nein. An dem Punkt ist die Glaubwürdigkeit der Sachbearbeiterin für mich "gestorben", die hat, so vermute ich, einen Fall erledigt, der sonst zur Beschwerde und zur teuren Erstattung geworden wäre.

Die Geschichte stinkt also von A bis Z - und genau deshalb würde ich diese Wette mit dem Anwalt eingehen. Ich würde sogar zwei Anwälte fragen, also den Einsatz verdoppeln - es gibt auch bei Anwälten solche und solche, und bei einem so hohen Betrag, der da im Raum steht, lohnt sich eine zweite Meinung. Bescheide immer mitnehmen, die nennen und sind ja immer die Rechtsgrundlage für alles, Du kennst das Spiel.

Denk bitte mal drüber nach. Es geht um Geld - es geht um viel Geld, und es geht um DEIN Geld.

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Und schon der Einstieg mit dem Aufhebungsvertrag, dessen Versprechen (keine Sperre) nicht eingelöst wurde, müsste dringend mal genau geprüft werden, da geht der Mist ja schon los.

Ich vermute angesichts der zahlreichen Ungereimtheiten, dass da ein guter Anwalt bzw. eine gute Anwältin in jeder Episode dieses Dramas reichlich Material für erfolgreiche Widersprüche finden würde. Das Ding stinkt sowas zum Himmel, echt beeindruckend. (Hast Du "Feinde" bei der Agentur, die Dir einen reinwürgen wollen, Dein ehemaliger Einarbeiter zum Beispiel? Oder ist der Laden immer so?)

Und es könnte eventuell sein, dass alles seine Richtigkeit hatte, wer weiß, dann wüßtest Du es wenigstens endgültig. An Deiner Stelle würde ich schon nur für diese Klarheit in den Ring steigen.

Schau mal, was Du draus machst. Alles Gute und Liebe für Dich.

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Und wenn hier jemand mitliest, der auch in den Fängen der Agentur ist: Alles dokumentieren, jeden Kontakt (Anruf oder persönlich) dokumentieren (Datum, Uhrzeit, Name, kurze Zusammenfassung des Gesprächs), und zu persönlichen Gesprächen immer eine Begleitung mitnehmen (es gibt einen Rechtsanspruch darauf im SGB; wichtig: Zu Beginn des Gesprächs klären, ob die Begleitung auch für euch sprechen darf oder nur zuhören soll), und am wichtigsten: Immer einen schriftlichen Bescheid anfordern (darauf habt Ihr ein Recht, alle mündlichen Vereinbarungen sind nichtig), alle Bescheide immer genau prüfen, und immer Widerspruch einlegen, auch bei Kleinigkeiten.

Macht das bitte, oder fragt, ob euch jemand hilft, das zu machen. Es gibt Menschen, die da unterstützen, auch in den zahlreichen Hilfeorganisationen (das ist zum Beispiel ein Teil dessen, was ich ehrenamtlich mache, und es gibt noch viel mehr Menschen, die bei sowas nebenbei und kostenfrei unterstützen).

Es nervt. Es lohnt sich.

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Dankeschön!
Ja, ich habe mit dem ganzen noch nicht abgeschlossen. In einer Woche bin ich hier raus, dann sehe ich mal weiter.

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