Samstag, 18. Juli 2020
Heute mal nur wenig...
...weil ich morgens den Berg runter zu dem wirklich supertollen Edeka hier im Dörfchen gewandert bin (Berg runter) und mir ein paar feine Sachen gekauft habe. Dann (Berg wieder hoch) schnaufend alles ausgepackt, eingeräumt, kurz hingelegt, 5 Minuten vor'm Mittag wieder aufgewacht, aaaaah!

Man MUSS zu den Essenszeiten erscheinen, und zwar pünktlich. Also duschen auf nachmittags verschoben. Rindfleischeintopf, Küchendienst, wieder aufs Zimmer...17:06 wieder aufgewacht.

Ja, sachma! Der schöne Sommertag, ich habe ihn völlig verpennt. Kann ja nicht sein.

Aber anscheinend zeigt mein Körper mir gerade, dass er den Schlaf braucht. Duschen allerdings schon wieder verschoben.

Jetzt kurz diese Zeilen reingehackt und ich nehme dann den Duschversuch Numero 3 nach der Tagesschau in Angriff :D

Es grüßt: der Iltis *g*

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Freitag, 17. Juli 2020
Wieso eigentlich dieser Titel "Ich kann das alleine!" ?
Ja, das ist etwas irreführend, ich weiß :)

Aber dieser Satz war so ziemlich der erste vollständige Satz, den ich als Kleinkind gesagt hatte. Und der wurde dann irgendwie zu einem relativ blödsinnigen Lebensmotto.

Ich war ca. 4 und bei Oma G., wahrscheinlich über's Wochenende. Sie machte Bandnudeln und ich wollte/sollte helfen. Der fertige Teig sollte in Streifen geschnitten werden und ich: "Das kann ich alleine!" Also Streifen waren es augenscheinlich nicht, was ich da fabrizierte. Opa K. guckte sehr skeptisch, als das Gericht auf den Tisch kam. Aber: ich hatte Essen fabriziert, ha!

Und so blieb es bei. Lesen lernen z.B. Ich war in der Vorschule und erkrankte an einer ziemlich schlimmen Lungenentzündung. Als ich aus dem gröbsten raus war, war mir langweilig, also brachte ich mir das Lesen eben selber bei. Die erste und 2. Klasse waren dann entsprechend langweilig. *g*

Später gaben sich meine Alleingänge, ich war meist gutes Mittelmaß am Gym und wurschtelte mich so durch die Schuljahre. Das einzige, was mich wirklich interessierte, waren Theater, Musik und Kunst. Blöd, dass das Gym den Schwerpunkt auf Naturwissenschaften gelegt hatte. Nach einer Ehrenrunde in der 11. hab ich dann Abi gemacht und bin sofort in die Lehre gegangen.

Da begann mein "ich kämpfe mich da alleine durch" wieder. Die Lehre war schlicht und einfach Ausbeutung. Wir schliefen in rumpeligen Zimmern unterm Dach, ein Bad für bis zu 12 Angestellte, die Bettdecken waren dicke fette Federplumeaus von Anno 1950 (hab ich mich geekelt), Heizung gab es nicht. Das Essen für die Angestellten war der Müll aus den Kühlräumen. Und dann Teildienst, also morgens von 6 bis 14 und dann von 17 bis Küchenschluss. Von März bis Oktober. Dann wurde der Laden dicht gemacht und wir hatten nichts zu tun.

Als Lehre konnte man das im Grunde genommen nicht bezeichnen. Aber hab ich vielleicht mal etwas gesagt? Die Missstände angesprochen? Aber nein, bloß nicht!
Die beste Freundin einer meiner Tanten regelte den Laden bzgl. Rezeption etc. und da muss man ja dankbar sein und darf sich auf gar keinen Fall beschweren.

Heute wäre es anders, aber ich habe wirklich alles geschluckt und gekuscht und mit 40° Fieber weiter gearbeitet. Beleidigt worden, zusammengeschissen und dann auch noch gefeuert, weil ich es zum Ende der Lehre gewagt hatte, mit den Kollegen über Gehälter zu sprechen. Die Chefin rief meinen Vater an und faselte was von "zahlreichen Abmahnungen, daher sei die Kündigung unumgänglich". Bullshit. Es gab nie eine Abmahnung. Dafür halt hysterisches "Du machst uns Schande!!!"-Gebrüll seitens der Eltern.

Ich hatte sofort einen neuen Job (es war Hochsaison in Büsum, das war einfach), schloss die Lehre als Beste der Westküste ab (ganz nach dem Motto: Euch werde ich es zeigen!) und haute ab nach Hamburg. Da lebe ich jetzt seit 1991.

Und diese Erfahrungen haben dazu geführt, dass ich wirklich niemandem mehr traute außer mir selber. Auch bei Dingen, die ich mal besser eher an- bzw. ausgesprochen hätte.

Ich brauche keine Hilfe. Ich kann das alleine. Mir hilft ja eh keiner, baue ich Scheiße, komme ich auch alleine wieder raus.

Wie DUMM!

Ganz besonders bei Suchterkrankungen kommt man eben nicht alleine wieder raus. Man muss den ersten Schritt zur Selbsterkenntnis alleine machen. Da kann egal wer noch so eifrig auf einen einreden: will man nicht aufhören, hört man nicht auf. Unter Zwang und Druck geht das nicht. Bzw. ja, klar geht es. Aber sobald man wieder aus der Langzeittherapie, Vorsorge etc. raus ist, geht der erste Weg zum Kiosk.

Es gibt so einige Läden hier, die nur "Rückfallkiosk" genannt werden. Und ich kenne wirklich mehr als genug Menschen, die 16 Wochen oder länger in Therapien wieder aufgeblüht sind und genau einen Tag nach der Entlassung betrunken irgendwo herumlagen.

Es ist furchtbar und das ist mir tatsächlich noch nie passiert. Aber gerade dieser letzte kurze, aber heftige Rückfall hat mir gezeigt: Ich kann es ab einem gewissen Zeitpunkt eben nicht alleine.

Alle ebenfalls Kranken, die hier vielleicht mitlesen: es gibt Hilfe. Macht es nicht so völlig bescheuert wie ich und entzieht zu Hause, alleine. Kalter Entzug kann tödlich enden. Will ein Krankenhaus euch nicht aufnehmen, fahrt zum nächsten.
Zur Not sagt, ihr hättet suizidale Gedanken. Das führt zwar stracks in die Geschlossene, aber nach 24 Stunden ist man wieder raus und auf der korrekten Station.

Und dann sucht euch eine SHG (hatte ich versucht, wird später nochmal Thema), geht zu Beratungsstellen, holt euch Hilfe.

Und hört zu. Versucht, es anzunehmen. Man kann es nicht alleine schaffen. Bzw. ist das nur ein verschwindend geringer Anteil derer, die es ganz alleine schaffen und auch trocken bleiben.

Ich habe erkannt, dass ich definitiv nicht zu dieser Gruppe gehöre. Auch wenn ich das natürlich wollte. Ich, hallöle, die einsame Wölfin (hier Wolfsgeheul vorstellen).

Nope. Es hat gedauert, aber ich habe endlich akzeptiert, dass ich es alleine nicht kann.

Und darum dieser höchst ironische Name des Blogs ;-)

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Donnerstag, 16. Juli 2020
Zu sich kommen...
Das ist auch nicht leicht.

Wie gehe ich persönlich mit den Gefühlen des Versagens und der Scham um?

Zum Ende hin, kurz bevor ich dank der Freundin ins Krankenhaus gekommen bin, fühlte ich mich widerlich. Ich habe mich wieder total gehen lassen. Leere Flaschen in der Küche und im Flur, Abwasch nicht erledigt, keine Wäsche gewaschen, mich selber nicht geduscht (ich hab eine Badewanne und so zittrig wie ich war, traute ich mich nicht da rein), geschweige denn saubere Klamotten am Körper. Und zu dem ganzen Dreck außen kommt dann noch der innere Schmutz:

Ich muss es meinem Bruder sagen, er wird so böse werden. Und so traurig. Ich muss es meinen Freunden sagen. Teilweise werden sie vielleicht den Kontakt abbrechen (das ist vor 8 Jahren sehr sehr häufig passiert), weil mit Trinkern möchte man eher nichts zu tun haben. Aus welchen Gründen auch immer. Ich habe nie nachgefragt.
Ich muss aber in erster Linie mit mir selber klar kommen. Nachforschen, wo die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit nachgelassen hat, bis der Absturz nicht mehr aufzuhalten war.

Und mit Glück habe ich diesen Platz hier gefunden. Die Einrichtung scheint wie für mich gemacht zu sein.

Zum einen ist da die Natur rundherum. Tiefer Wald, viele Blumen, viele viele Vögel, Rehe, Eichhörnchen etc. Ein kurzer Weg durch den Wald und plötzlich steht man mitten in der Lüneburger Heide. In wenigen Wochen wird sie in lila erstrahlen, ich freue mich sehr darauf.
Und es ist ruhig. Selten hört man mal Waldarbeiter oder auch mal ein Auto, aber überwiegend ist es einfach nur: Stille.

Die Dorfkirche bimmelbammelt regelmäßig niedlich vor sich hin, selbst das finde ich beruhigend. Das ist nicht so ein DÖNGELÖNGBONGBING wie in Hamburg, wo alle Kirchen gleichzeitig los scheppern. Sondern ein freundliches Geläut, das Frieden bringt.

Hier wird außerdem viel Wert auf Kunsttherapie gelegt. Man hat alles an Material jederzeit zur Verfügung und bekommt auch Hilfe, wenn man sich nicht so ganz sicher ist, wie etwas geht. Und das ist eine Seite von mir, die ich vernachlässigt habe.

Ich habe schon immer gerne gemalt, gezeichnet und skizziert. Und ich lebe das jetzt voll aus. Mir ist nie langweilig, das ist so toll. In den letzten Monaten bestand mein Tagesablauf - auch wenn ich trocken war - aus Seriengucken und stricken. Sonst nichts.
Hier kann ich zwar auch Serien gucken wenn ich Lust habe, aber ich habe soviel anderes zu tun.

Vorgestern habe ich eine Freihandskizze des niedlichen Holzhauses erstellt, wo unsere Verwaltung und die Krankenschwester arbeiten und diese Skizze arbeite ich jetzt farbig aus. Das sieht nicht gerade wie ein Monet aus, aber auch nicht wie hingekrakelt ;)

Dann stricke ich natürlich weiter, ein schwarzer Baumwoll-Pulli für die kühleren Tage.

Als nächstes werde ich - sobald erlaubt, also ab nächsten Dienstag - nach Hause fahren und meine Gitarre schnappen. Es gibt hier ein Musikzimmer und für Musiktherapie habe ich mich natürlich auch angemeldet.

Und apropos Musik: ich habe Kopien von einem sehr tollen Notenbuch, die aber lose herumfliegen. Da ich hier gelernt habe, wie man Seiten zu einem Buch bindet, habe ich gleich noch ein Projekt am Start.

Und wenn ich alle Fenster schließe, kann auch auch fröhlich loskrähen, ohne das den Mitpatienten die Ohren abfallen *g*

Und dann sind da die Morgende und Abende, wo man alleine am Waldrand sitzt und beobachtet, wie die oberen Baumwipfel plötzlich von der Sonne beleuchtet werden. Und die Nachmittage, wo man auf dem Rücken liegend in die Wolken guckt und immer neue Formen entdeckt. Und die guten Gespräche mit den anderen Kranken hier, die sehr helfen. Weil: man ist nicht alleine mit der Sucht. Anderen geht es ja genau so. Und dieses Zusammengehörigkeitsgefühl hilft auch, sich zu erden.

Und wenn ich mich doch mal blöd fühle, was durchaus vorkommt, dann umarme ich einfach die alte Eiche.

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