Mittwoch, 15. Juli 2020
Wieso der Rückfall?
Tja. Alles begann im Dezember mit meinem verwitweten Vater. Er kam seit dem Tod von Mum vor 2 Jahren nicht mehr zurecht. Die ersten Monate ging es noch, aber allmählich ließ er sich gehen.

Mein Bruder, seine Frau und ich haben alles versucht, aber wir leben alle 100 Km entfernt von ihm, und hatten Vollzeitjobs. Ich habe auch kein Auto, bin aber trotzdem so oft wie irgend möglich hochgefahren (Dithmarschen).

Im Dezember ging es los mit nächtlichen Anrufen beim Bruder (Joah, wir müssen nach Italien! Fußball WM! Sag mal deiner Schwester Bescheid!), die meinen Bruder völlig verwirrt und auch sehr besorgt werden ließen. Papa kam dann ins Krankenhaus, weil nette Nachbarn sich Sorgen machten. Das ging noch bis Februar so hin und her, er baute zusehends ab, verweigerte Essen und Medikamente, bis wir uns einigten, die Behandlung zu stoppen und ihn gehen zu lassen.
Er versicherte uns noch, dass wir uns keine Sorgen machen müssten. Alles wäre geregelt.

Nach seinem Tod krachte dann alles zusammen. Er war hoch verschuldet, das gemietete Haus teilweise völlig verwahrlost (er hatte uns verboten, in dieses eine Zimmer zu gehen und blöderweise hatten wir gehorcht bzw. es akzeptiert) und es war gar nichts geregelt.

Bei seiner Beerdigung habe ich nicht geweint, obwohl ich immer ein Papakind gewesen bin. Da muss ich noch einiges aufarbeiten.

Zeitgleich hatte ich im Dezember einen neuen Job begonnen, nachdem viele Kollegen aus der alten Firma von der neuen Firma gekündigt worden waren. Ich leider auch, aber immerhin gab es eine feine Abfindung (deswegen habe ich auch keinen Anspruch auf Hartz 4).

Dezent panisch, weil ich da schon 51 war, suchte ich mir nahtlos etwas neues. Und fand eine Position als telefonische Serviceberaterin beim ...tadaaaa...Jobcenter.

Und bekam einen "Paten" an die Seite gesetzt, mit dem ich absolut nicht klar kam. Also so gar nicht. Null. Nada. Ich bin ehrgeizig und stürze mich immer mit Aplomb auf neue Dinge. Auch im Job. Aber dieser Kerl hat es fertig gebracht, dass ich mir nach kürzester Zeit überhaupt nichts mehr zutraute. Das Team an sich war super, nur eben dieser eine Dödel...Seufz.

Und ich fing an, mich nach Entspannung zu sehnen. Da dort keiner von meiner Krankheit wusste, fing ich abends wieder an, mir eine Flasche Wein zu holen. Die hielt auch zu Beginn für 2 Abende vor. Dann nur noch ein Abend. Dann holte ich mir einen Flachmann mit Weinbrand (igitt...). Irgendwie dachte ich, egal was, Hauptsache keinen Wodka.

Mitte März schmiss ich hin und ließ mich krankschreiben.

Voller Erleichterung, nie wieder diesen Vollhonk sehen zu müssen und nie wieder verunsicherten Menschen irre lange Bescheide erklären zu müssen, stürzte ich mich in ein wahres Lotterleben. Geld hatte ich ja genug.

Dann kam Corona, der Baby-Lockdown (ja, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern war es die Babyversion) und ich fing richtig an, mich wegzuballern.
Merkt ja eh keiner, wir dürfen uns eh nicht treffen, lalala, her mit dem Wodka.

Im April war mir klar, dass ich keineswegs damit gut fuhr, sondern ich wollte sofort aufhören. Dann passierte der Mist mit dem AK Wandsbek, wo sie mich wegschickten mit dem lapidaren Hinweis "Trinken Sie einfach weiter!"

Und dann kam am Mittsommertag göttinseidank meine Freundin und rettete mich. Püha.

Und jetzt kämpfe ich tapfer weiter mit der unfassbar unfreundlichen Krankenkasse. Meine Therapeutin hatte gerade bei denen angerufen und war auch sehr erstaunt über die geballte Unfreundlichkeit.

Aber gemeinsam werden wir das schaffen. Und jetzt habe ich gleich Gruppentreffen und heute nachmittag darf ich eeeendlich mit zum Heidespaziergang. Ich freue mich total :)

... link (4 Kommentare)   ... comment