Sonntag, 19. Juli 2020
Trinkernation Deutschland
Jo, isso.

Ich habe kürzlich einen informativen Kurzfilm gesehen, der sich mit dem Thema Alkohol in der Gesellschaft beschäftigt. Es ist ja nun nichts Neues, dass in Deutschland das Trinken als gesellschaftlich anerkannt gilt. Man steht eher als Paria da, wenn man nichts trinkt.

Das ist in vielen Ländern anders.

Zum einen sind da die muslimischen Länder. Viele Menschen dort lehnen aus religiösen Gründen Alkohol ab. Trinkt einer jedoch regelmäßig und zuviel, fällt das sofort auf. Man ist dort achtsamer und als Trinker wird man relativ schnell erkannt. Aus dem Grunde gibt es in diesen Ländern nur wenig Alkoholkranke.

Dann sind da die Mittelmeerländer. Alkohol gehört dort zwar zum Leben, aber immer und grundsätzlich in Maßen. Der Rotwein zum Lunch oder Dinner ist absolut normal und willkommen. Der Rausch hingegen nicht. Im Film hieß es, wenn ein junger Mann sich regelmäßig einen antüdert und eindeutig betrunken umherwankt, fällt er sofort auf. Man trinkt dort einfach nicht so wie wir hier. Menschen, die Alkoholmissbrauch betreiben, sind auffällig. Und auch nicht gerne gesehen. Aus diesem Grund gibt es in diesen Ländern zwar durchaus Alkoholkranke, aber bei weitem nicht so viele wie in:

Deutschland, USA und Russland.

In dieser Gruppe gehört Deutschland zu den Großmächten. Hier wird man als junger Mensch nicht schief angeguckt, wenn man betrunken ist. Es wird gescherzt, sich auf den Oberschenkel gehauen und die nächste Runde ausgegeben. "Der Junge kann was vertragen, super!"
Die junge Frau übrigens auch. Ich war früher stolz drauf, so einige Kerle unter den Tisch saufen zu können. Und da war ich bei weitem noch nicht abhängig.

Alkohol ist immer und überall verfügbar, billig und anerkannt. "Genussmittel", wie es so schön heißt. Alleine die Tatsache, dass ein Nervengift als "Genussmittel" bezeichnet wird, sagt so einiges über unsere Einstellung zu Alkohol aus.

Und versteht mich bitte nicht falsch: ich habe nichts gegen Menschen, die Alkohol zu sich nehmen. Absolut nicht. Aber so dermaßen viele, die ich kenne, sind schon weit über den "Genuss" hinaus.

Kinners, es ist nicht "normal", jeden Abend zu trinken. Egal, wieviel. Es ist auch nicht wirklich gut, dezent unruhig zu werden, wenn man mal keinen Alkohol im Haus hat. Die Ausrede "Aber wir trinken das nur, weil es so gut schmeckt!" mag gelten, wenn es ein Glas oder zwei am Wochenende sind. Aber nicht 2 Flaschen jeden Abend. Ganz bestimmt nicht.

Ich kenne natürlich auch Leute, die wirkliche Genusstrinker sind, sich mit der Herstellung und Geschichte von Bier oder Whisky lange beschäftigt haben, auch eine dementsprechende Sammlung besitzen und teilweise sogar selber brauen. Aber die nutzen Alkohol nicht missbräuchlich.

Dazu kommt die blöde Tatsache, dass wir Alkis die besten Schauspieler der Welt sind. Es gibt eine riesige Dunkelziffer von Menschen, die funktionierende Alkoholiker sind. Ich gehörte auch dazu. Tagsüber wird nicht getrunken. Nur Abends. Dann aber so schnell und so viel, das man sich relativ schnell wegschießt, mehr oder weniger besinnungslos ins Bett (oder auf den Teppich) fällt und morgens wieder zur Arbeit geht. Und keiner merkt etwas. Oder wagt es, etwas zu sagen.

Ich hatte das tatsächlich zwei Jahre so gehandhabt, bis der Wodka eindeutig auf der Gewinnerseite war.

Aus diesen Gründen gibt es bei uns so viele Alkoholiker. Die Alkohollobby der Winzer und Brauer ist mächtig. Gestern verglich es einer meiner Kollegen hier mit der Waffenlobby in den USA. Was ich ziemlich passend finde.

Nehmt dem Deutschen sein Feierabendbier und die BLÖD rastet aus. Versucht mal, 6 Wochen ohne. Höchstes Lob und großer Respekt ist demjenigen sicher, der es schafft.

Leute, ernsthaft? 6 Wochen ohne Alkohol und man ist ein Held?

Nein.

... link (7 Kommentare)   ... comment