Samstag, 11. Juli 2020
Wann wurde das Trinken gefährlich?
katloki, 09:10h
Tja, hm. Gute Frage.
2012 kam jedenfalls die Erkenntnis. Allerdings nicht von alleine. Ich fuhr mit fiesen Bauchschmerzen und tagelangem Blutspucken dann doch mal ins Krankenhaus. In der ZNA fragte mich eine Pflegerin, wann ich das letzte Mal Alkohol getrunken hätte. Meine Antwort: "Och, so vor 3 Wochen, ein Glas Wein."
Ihre Augenbrauen schossen gen Haaransatz. "Ahja. Sicher??"
Nachmittags standen dann drei sehr ernst blickende Ärzte um mein Bett herum: "Frau S., sie haben eine böse entzündete Bauchspeicheldrüse, der Magen ist kaputt und sie haben ein wirklich ernsthaftes Alkoholproblem. Ist Ihnen das nicht klar?"
Und in dem Moment ließ ich endlich zu, was ich schon längere Zeit natürlich wusste, aber einfach nicht wahrhaben wollte. Ja. Ich bin Alkoholikerin. Ein kleines Mittelgebirge plumpste von meinen Schultern.
Und das, meine Damen und Herren, ist immer der erste Schritt. Vielleicht der wichtigste, um überhaupt wieder gesund zu werden.
Einsicht in die Sucht.
Bloß: wieso? In den Therapien und Gesprächsrunden habe ich so schlimme Schicksale gehört, dass es mich bei den Menschen wenig wunderte dass die trinken.
Aber ich?
Ich fing erst spät mit Alkohol an (wie mit allem anderen auch). Auf den Festivals habe ich zwar immer getrunken, aber ich gehörte nie zu der Fraktion "Sitzt verdreckt in einem der Gräben in Wacken und weint und weiß nicht mehr, wo das Zelt ist".
Aber so ca. 2010 wurde es mehr. Und zwar ausschließlich zuhause. Alleine. Erst Wein. Nach einigen Monaten dachte ich mir, das ich immer mehr Wein brauche, um mich wohl zu fühlen. Also Wodka. Geht ja mit viel weniger schneller.
Die Rechnung ging natürlich nicht auf, irgendwann brauchte ich eine Flasche täglich. Die Erinnerung daran ist verschwommen (ach, echt?). Ich ging zwar noch arbeiten, aber die Krankmeldungen häuften sich. Besorgte Kollegen fragten, ob alles ok sei. Ich laberte irgendwas von "Magen-Darm". Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob nicht doch einer eine Vermutung hatte. Angeblich hätte keiner es bemerkt. Allerdings sind Alkoholiker supergute Schauspieler, wenn sie wollen.
Nachdem ich es also endlich mir selbst gegenüber zugegeben hatte, sagte ich es meinen Eltern. Die selber täglich tranken. Zwar nur Abends (früher auch schon vormittags), aber dafür reichlich.
Verständnis: Null. Einsicht: noch mehr null (Frau Mutter: Achwas, dann trinkst Du eben mal drei Wochen nix und dann geht es wieder. Nein, Mama. So geht das aber eher nicht!)
Den ganzen Sommer 2012 hoppste ich von trocken zu nass zu trocken zu nass. Immer noch am überlegen, wie zur Hölle das passieren konnte. Meine Familie drängte mich zu einer Langzeittherapie. Nicht wissend, dass so eine Entscheidung ausschließlich von dem Süchtigen alleine getroffen werden kann. Nur so kann eine LZT Erfolg bringen. Unter Druck geht es nicht. Niemals.
Im Oktober hatte ich von allem die Schnauze voll. Gestrichen voll. Ich war gerade trocken zu dem Zeitpunkt, also dachte ich in meiner Verzweiflung, dass 2 Flaschen Wodka das Elend beenden könnten.
Kurzfassung: 5,5 Promille, Feuerwehr, Notarzt, Polizei. Das ganze große Tatütata. Ich weiß davon nichts mehr, das haben mir Nachbarn später erzählt. Und ich habe den Irrsinn nur überlebt, weil Kollegen anriefen, ich glücklicherweise ans Telefon gegangen bin und dann wahrscheinlich "Hilfe!" gelallt hatte. Wie gesagt: das ist alles weg.
Nach 1 Monat in der Psychiatrie habe ich mich aus freien Stücken für eine LZT entschieden. Das dauerte dann leider noch über 2 Monate, bis endlich ein Platz frei war. Natürlich bin ich wieder rückfällig geworden. Aber ich habe es geschafft, mich bis zum 17.12.12 auf 0,0 runterzutrinken und bin dann frühmorgens in den Hansenbarg getaddert.
Aber wieso und warum ich so dermaßen abhängig werden konnte, weiß ich bis heute nicht. Vielleicht finde ich es ja hier in Bullerbü raus.
2012 kam jedenfalls die Erkenntnis. Allerdings nicht von alleine. Ich fuhr mit fiesen Bauchschmerzen und tagelangem Blutspucken dann doch mal ins Krankenhaus. In der ZNA fragte mich eine Pflegerin, wann ich das letzte Mal Alkohol getrunken hätte. Meine Antwort: "Och, so vor 3 Wochen, ein Glas Wein."
Ihre Augenbrauen schossen gen Haaransatz. "Ahja. Sicher??"
Nachmittags standen dann drei sehr ernst blickende Ärzte um mein Bett herum: "Frau S., sie haben eine böse entzündete Bauchspeicheldrüse, der Magen ist kaputt und sie haben ein wirklich ernsthaftes Alkoholproblem. Ist Ihnen das nicht klar?"
Und in dem Moment ließ ich endlich zu, was ich schon längere Zeit natürlich wusste, aber einfach nicht wahrhaben wollte. Ja. Ich bin Alkoholikerin. Ein kleines Mittelgebirge plumpste von meinen Schultern.
Und das, meine Damen und Herren, ist immer der erste Schritt. Vielleicht der wichtigste, um überhaupt wieder gesund zu werden.
Einsicht in die Sucht.
Bloß: wieso? In den Therapien und Gesprächsrunden habe ich so schlimme Schicksale gehört, dass es mich bei den Menschen wenig wunderte dass die trinken.
Aber ich?
Ich fing erst spät mit Alkohol an (wie mit allem anderen auch). Auf den Festivals habe ich zwar immer getrunken, aber ich gehörte nie zu der Fraktion "Sitzt verdreckt in einem der Gräben in Wacken und weint und weiß nicht mehr, wo das Zelt ist".
Aber so ca. 2010 wurde es mehr. Und zwar ausschließlich zuhause. Alleine. Erst Wein. Nach einigen Monaten dachte ich mir, das ich immer mehr Wein brauche, um mich wohl zu fühlen. Also Wodka. Geht ja mit viel weniger schneller.
Die Rechnung ging natürlich nicht auf, irgendwann brauchte ich eine Flasche täglich. Die Erinnerung daran ist verschwommen (ach, echt?). Ich ging zwar noch arbeiten, aber die Krankmeldungen häuften sich. Besorgte Kollegen fragten, ob alles ok sei. Ich laberte irgendwas von "Magen-Darm". Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob nicht doch einer eine Vermutung hatte. Angeblich hätte keiner es bemerkt. Allerdings sind Alkoholiker supergute Schauspieler, wenn sie wollen.
Nachdem ich es also endlich mir selbst gegenüber zugegeben hatte, sagte ich es meinen Eltern. Die selber täglich tranken. Zwar nur Abends (früher auch schon vormittags), aber dafür reichlich.
Verständnis: Null. Einsicht: noch mehr null (Frau Mutter: Achwas, dann trinkst Du eben mal drei Wochen nix und dann geht es wieder. Nein, Mama. So geht das aber eher nicht!)
Den ganzen Sommer 2012 hoppste ich von trocken zu nass zu trocken zu nass. Immer noch am überlegen, wie zur Hölle das passieren konnte. Meine Familie drängte mich zu einer Langzeittherapie. Nicht wissend, dass so eine Entscheidung ausschließlich von dem Süchtigen alleine getroffen werden kann. Nur so kann eine LZT Erfolg bringen. Unter Druck geht es nicht. Niemals.
Im Oktober hatte ich von allem die Schnauze voll. Gestrichen voll. Ich war gerade trocken zu dem Zeitpunkt, also dachte ich in meiner Verzweiflung, dass 2 Flaschen Wodka das Elend beenden könnten.
Kurzfassung: 5,5 Promille, Feuerwehr, Notarzt, Polizei. Das ganze große Tatütata. Ich weiß davon nichts mehr, das haben mir Nachbarn später erzählt. Und ich habe den Irrsinn nur überlebt, weil Kollegen anriefen, ich glücklicherweise ans Telefon gegangen bin und dann wahrscheinlich "Hilfe!" gelallt hatte. Wie gesagt: das ist alles weg.
Nach 1 Monat in der Psychiatrie habe ich mich aus freien Stücken für eine LZT entschieden. Das dauerte dann leider noch über 2 Monate, bis endlich ein Platz frei war. Natürlich bin ich wieder rückfällig geworden. Aber ich habe es geschafft, mich bis zum 17.12.12 auf 0,0 runterzutrinken und bin dann frühmorgens in den Hansenbarg getaddert.
Aber wieso und warum ich so dermaßen abhängig werden konnte, weiß ich bis heute nicht. Vielleicht finde ich es ja hier in Bullerbü raus.
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ichbindaauchschondurch.,
Samstag, 11. Juli 2020, 11:58 PM
Wenn ich diese Frage flapsig beantworte, spreche ich von "Familientradition": Mein Großvater mütterlicherseits hat gesoffen, seine Tochter hat gesoffen, ihr Sohn hat gesoffen - Tradition halt.
Ich hab's in zweierlei Hinsicht geschafft, diese Tradition zu durchbrechen: Ich bin abstinent, und ich hab keinen Nachwuchs, und tatsächlich klopfe ich mir für beide Leistungen auf die Schulter (habe in den vergangenen Jahren auch gelernt, Lob immer freudig und gerne anzunehmen und auch mich selbst zu loben - es trifft meistens den Richtigen :).
Es gibt übrigens ein (halbwegs lesenswertes) Buch eines trockenen Alkoholikers, das "Sich das Leben nehmen" heißt. Der Titel hat eine Doppelbedeutung, die mir erst nach Jahren aufging...
Ich hab's in zweierlei Hinsicht geschafft, diese Tradition zu durchbrechen: Ich bin abstinent, und ich hab keinen Nachwuchs, und tatsächlich klopfe ich mir für beide Leistungen auf die Schulter (habe in den vergangenen Jahren auch gelernt, Lob immer freudig und gerne anzunehmen und auch mich selbst zu loben - es trifft meistens den Richtigen :).
Es gibt übrigens ein (halbwegs lesenswertes) Buch eines trockenen Alkoholikers, das "Sich das Leben nehmen" heißt. Der Titel hat eine Doppelbedeutung, die mir erst nach Jahren aufging...
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katloki,
Sonntag, 12. Juli 2020, 10:01 PM
Der Titel trifft zu. Beide Bedeutungen stimmen. Weil Leben ist es ja nicht mehr, was man da so treibt.
Und die andere Bedeutung, nunja. Auch das trifft zu. Bzw. TRAF zu :)
Und die andere Bedeutung, nunja. Auch das trifft zu. Bzw. TRAF zu :)
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