Samstag, 25. Juli 2020
Das kontrollierte Trinken
Tja, da streiten sich die Geister. Ist es möglich, als Alkoholiker/in kontrolliert zu trinken?

Also bei mir geht das nicht. Ich habe es ja ausprobiert. So ca. vor einem Jahr fing ich an, alle paar Wochen mal eine Weinschorle zu trinken, so schwach, dass man auch ein Glas Wasser hätte nehmen können und einfach "WEIN!" da rein gebrüllt hätte. Aber: es enthielt natürlich nichtsdestotrotz Alkohol.

Und da nach so einem Schörlchen rein gar nichts passierte, nicht mal ein Räuschlein, aber auch kein Craving nach mehr, dachte ich mir natürlich: "Och. Dann vielleicht n büschen mehr Wein. Juchu, es geht wieder!!"

Bis ich das Wasser wegließ. Ging immer noch. Und ich wusste, dass ich falsch abgebogen war und sich die Suchtspirale wieder öffnete. War ich aufmerksam mir gegenüber? Nope. Hatte ich alles vergessen, was ich vor 8 Jahren erlernt hatte? Jupp.

War es mir schnurzpiepegal? Ja. Leider. Und dann begann die Spirale sich zu drehen und das Ende ist bekannt.

Mir sind allerdings auch Fälle bekannt, in denen trockene (naja, halbtrockene...) Alkoholiker/innen irgendwann auch wieder anfingen, z.B. Bier zu trinken und es tatsächlich geschafft haben, ein einziges Abends zu trinken. Nicht mehr und nicht weniger. Auch nicht auf Partys oder bei sonstigen Anlässen. Das kann durchaus funktionieren, aber soweit mir bekannt, ist das kontrollierte Trinken die ganz große Ausnahme. Früher oder später greifen MEOS oder das Suchtgedächtnis wieder durch und erkämpfen sich die Oberhand.

Es gibt Suchtexperten, die das kontrollierte Trinken als eine Möglichkeit für Alkoholiker betrachten, um den Ausstieg ein wenig zu erleichtern. Der Satz "Niemals wieder auch nur einen Tropfen!" ist hart und endgültig. Sehr viele können es sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie es sein wird, völlig ohne Alkohol zu leben. Ich gehörte auch dazu. Aber dazu gehören natürlich auch Menschen, die kein Suchtproblem haben (oder es zumindest glauben).

Ladet mal zu einem Essen ein und es gibt nur alkoholfreie Getränke. WHAT? Och nöööö! Da haben viele plötzlich fix etwas anderes vor oder der Dackel hat Schnupfen oder es regnet oder sonstwas. Ich habe es versucht. ;-)

Ich persönlich komme mit den AA (Anonymen Alkoholikern) nicht besonders gut klar (später dazu mehr), aber ein Satz von ihnen hat mir in all den trockenen Jahren sehr geholfen: "Heute nicht!"

Jaja, klingt jetzt wie aus "Game Of Thrones", ich weiß *g*. Passt aber.

Wenn man sich einfach morgens vornimmt, heute nichts zu konsumieren, ist es viel einfacher als zu sagen, dass man nie wieder trinkt.

Man sollte dieses "Heute nicht!" halt bloß nie vergessen. Und dann ist es eigentlich nicht so schwer, gar nicht zu trinken.
Wenn ich einen sehr guten Tag habe, so wie heute z.B., dann bin ich mir absolut sicher, es wieder zu schaffen. Ich mag mich wieder im Spiegel angucken, ich bin sogar leicht gebräunt, strahlende Augen und Lächeln, viele gute Bücher die auf mich warten, das Wetter ist herrlich (dieser Sommer ist sowieso super, soviel steht mal fest!), ich bin hellwach im Kopf, schlafe ausgezeichnet und habe hier einige sehr tolle Menschen kennengelernt. Mir scheint sozusagen die Sonne aus dem Popo :)

Und an solche Tage muss ich mich erinnern. Weil es werden andere Tage kommen. Es wird auch wieder Durst auf Wein kommen.

Aber: HEUTE NICHT!

Habt ein schönes Wochenende!

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Wie schön!
Freu mich, dass du einen guten Tag hast. Ich wunsch dir ein wunderbares Wochenende - und lauter gute Tage. („Nur gute Tage“ würde ich dir gern wünschen, ist aber vielleicht unrealistisch. Aber so viele wie möglich!)
Liebe Grüße, Susanna

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"Ein Glas ist zuviel, und dann sind hundert zuwenig."
Wieso manche (viele?) Suchtkranke meinen, dass sie diese schon tausendmal erlebte Dynamik (das beginnt ja jeden Tag neu mit dem ersten Schluck) nach einer mehr oder weniger kurzen Abstinenz nicht mehr betrifft, werde ich nie verstehen - mir war in meinen nassen Zeiten und mir ist weiterhin in meinem trockenen Leben ganz klar, dass ich ab dem ersten Schluck nicht mehr aufhören kann, sondern saufen (vornehm "konsumieren") werde, bis buchstäblich der Arzt kommt (oder der Bestatter, der war irgendwann auch nicht mehr weit entfernt vom Auftrag).

Nee, kontrollierter Konsum funktioniert nicht, weil er ein wesentliches Merkmal der Abhängigkeit, nämlich den Kontrollverlust (für mitlesende Laien: Das ist nicht Torkeln, Lallen und Erbrechen, sondern "die Unfähigkeit, Beginn, Menge und Ende des Konsums zu kontrollieren", siehe Wikipedia und so), ignoriert, als könne man an der Stelle verhandeln.

Kann man nicht. Wir Abhängigen haben an der Stelle keine Bremsen. Hätten wir diese Bremsen, wären wir nicht abhängig. So einfach ist das.

"Das erste Glas stehen lassen." "Heute nicht." "Nur der eine Tag." Wie auch immer man es nennt: So funktioniert es.

Genieß Dein gutes Leben, auch in Regen, Stress, Frust und Wut. Es ist jeden Tag Dein gutes Leben.

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Danke, genau so :)

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mein onkel hat hin und wieder mal ein nicht alkoholfreies bier getrunken. er war aber auch eher ein freizeitsäufer. also leerte am wochenende mal eine kiste bier und dazu ein paar flaschen wein und war wochentags nüchtern.

ich trinke für eine frau auch zu viel. aber ich hasse den rausch. dadurch trinke ich nie exzessiv. aber zwei drinks am abend zum entspannen sind theoreitsch auch zu viel, wenns regelmäßig passiert.

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